Der Münchner Schriftsteller und Statistikprofessor Max Haushofer schrieb nicht nur den bekannten Münchner SF-Roman Planetenfeuer, sondern meditierte auch lange über den Tod – und eine etwaige Existenz danach. Dass Haushofer sich so ausführlich mit diesen Themen auseinandersetzte, wird gemeinhin mit dem frühen Tod seiner Ehefrau Adele in Zusammenhang gebracht.
In den beiden Bänden, um die es hier gehen soll, betrachtet er den Tod aus den verschiedensten Blickwinkeln: poetischen, aber auch wissenschaftlichen. Und es geht ihm um die Frage, was danach kommen könnte. Es muss etwas danach kommen! Der Lehrer der nüchternen Fächer Nationalökonomie und Statistik bestand darauf. Der Schriftsteller, der auch Vertreter der Liberaldemokraten im Münchner Parlament war, konnte aber weder dem Materialismus der Sozialdemokratie noch den jenseitigen Verheißungen der Kirchen etwas abgewinnen.
Die Sozialdemokratie verspricht ihren Anhängern den Himmel auf Erden; das Christentum den seinigen die Seligkeit im Jenseits. Der aufgeklärte Liberalismus hat weder das eine noch das andere zu versprechen. Die großen Massen werden sich daher nicht ihm anschließen, sondern dahin fallen, wohin die glänzenderen Versprechungen sie ziehen.
Das Jenseits im Lichte der Politik und der modernen Weltanschauung, 1905
1888, ein Jahr nach dem offiziellen Ende des Kulturkampfs zwischen katholischer Kirche und den Deutschen Reich, ließ Haushofer seine Geschichten zwischen Diesseits und Jenseits erscheinen. Der Tod wird in diesen Geschichten in seiner ganzen Bandbreite gezeigt. Die Brutalität des großen Schnitters, der besonders die Armen ausgesetzt sind, wird nicht verschwiegen. Oder er macht sich Gedanken über die Länge eines Lebens, welches war zu lang, welches zu kurz? Was wäre der Maßstab?
Eine andere Geschichte führt die Vorstellung aus, dass die Welt eigentlich ein Massengrab ist, in dem die Lebenden recht unwissend herumirren. Besonders wenn man davon ausgeht, dass etwas von den Verstorbenen übrig bleibt. Wenn dieser Rest auch nur sehr klein sein mag, so müsste er sich doch über Jahrtausende hinweg angereichert haben. In einer solchen Konzentration, dass man diese Überbleibsel doch irgendwie wahrnehmen und messen können müsste – bloß wie? Einer solchen Messvorrichtung, dem Thanatographen, der das Sterben aufzeichnet, ist natürlich auch ein Kapitel gewidmet.
Den Rest, der vom Menschen übrig bleiben soll, steckt Max Haushofer in einer anderen Überlegung ganz modern in spezielle Atome. Die Meister-Atome haben Bewusstsein und können andere (Natur-Atome) organisieren. So entkommt er den religiösen Jenseitsvorstellungen und kann sich trotzdem mit dem Gedanken trösten, dass etwas von den geliebten Menschen übrig geblieben ist, sie nicht ganz aus der Welt sind. Nur ist er realistisch genug, zu erkennen, dass dieses Leben der Atome nach dem Tod des Menschen eine ganz andere Qualität hat.
Kurz vor seinem Tod, 1908, zieht Max Haushofer in “An des Daseins Grenzen” Bilanz. Er ist ernüchtert, dass die Wissenschaft seit 1888 keine größeren Fortschritte in der Erforschung des Todes und des Nachlebens gemacht hat. Also nimmt er die Sache selbst in die Hand und erforscht die Grenzen des Daseins der Menschheit auf seine Art.
Zum einen befasst er sich damit, wie die Menschen, besonders deren Seele, entstanden sein und über eine beseelte Natur den Sprung auf die Erde (und andere Planeten) gemacht haben könnte. Im Buch der Seelen untersucht er zum anderen, wie die Seelenwanderung nach dem Tod praktisch aussehen könnte. Wohin gehen die – quasi atomgetriebenen – Seelen nach dem Tod, wenn das religiöse Jenseits nicht in Frage kommt? Haushofer präferiert eine Art Weltenwanderung in die Weiten des Weltraums hinaus, die gegebenenfalls auch zu einer Art Neugeburt führen könnte.
Und da es einen Anfang mit Menschen auf der Erde gab, muss es der Wissenschaft gemäß auch ein Ende geben. Im Buch der Zukunft sinniert der Schriftsteller über mögliche Endzeitszenarien und die Folgen für die Seelen. Aber was auch immer mit der Menschheit geschehen wird, es werden nach ihr andere kommen. Diesem tröstlichen Gedanken ist sich Max Haushofer sicher.
Wenn aber der Erdball seine Menschheit überlebt: was kommt nach ihr?
Alles, was wir bis heute von der Schöpfungsgeschichte wissen, weist uns darauf hin, daß nur Vollkommeneres die Nachfolge werden kann. Mächtigeres, Weiseres, Edleres, Geistigeres.
An des Daseins Grenzen, 1908