Anlässlich der Veröffentlichung von Artur Landsbergers Emil einige Bemerkungen zum Roman und dem Hochstapler-Genre. Denn die Hochstapler sind ein beliebtes Thema, nicht nur in der Literatur, sondern auch im täglichen Leben. Aber hier soll es nur die in der Literatur gehen, auch wenn die im Roman auftretenden Gestalten es nahelegen, dass die Hochstapler wirklich in allen Kreisen der Gesellschaft auftreten.
Wie das Wortprofil des DWDS zeigt, ist der Begriff Hochstapler bei uns eher negativ besetzt: unter den Top 10 der Attribute werden die ersten Plätze durch gerissen, notorisch, vorbestraft, frech und dreist belegt. Erst etwas weiter unten (Platz 7-9) finden wir Attribute, die eher positiv klingen: sympathisch, raffiniert, und sogar genial. Wie passt nun Landsbergers Emil in dieses Profil?
Ganz gut finden wir, denn er umspannt die Top 10 der Attribute, der Held des Romans gibt sich nicht nur mit einer Seite des Spektrums zufrieden. Das mag auch an der Umgebung liegen, denn der Roman spielt in der Zwischenkriegszeit der Weimarer Republik. In diesem von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen geprägten Zeitabschnitt wurden die traditionsreichen Adelseliten des Kaiserreichs mit Bürgerlichen durchsetzt.
Vor diesem Hintergrund bricht Emil Wolgemuth (alias Coeur-As, international gesucht) mit seinen Helfern in die Villa eines neureichen Berliners ein, der den schönen Namen Redlich trägt. Leider verfängt er sich dabei in einer Falle, und wird von der Tochter des Hauses gestellt, während seine Kumpane mit der Beute fliehen.
In der anschließenden Diskussion zwischen dem frechen, aber sympathischen, Einbrecher und seinen Opfern wird ein geniales Geschäftsmodell geboren: ein Unternehmen zur schnellen Wiederbeschaffung gestohlenen Gutes. Die Firma Aufrichtig & Redlich wird gegründet, um dieses Modell zu verfolgen. Womit aus dem Einbrecher Emil Wolgemuth der Kaufmann Emil Aufrichtig wird.
Dieser Namenswechsel mag wohl noch als milde Form der Hochstapelei durchgehen, denn das neue Mitglied der angesehenen Frankfurter Kaufmannsfamilie Aufrichtig beabsichtigt seine neue Familie mit Sitzen im Aufsichtsrat der Aufrichtig & Redlich Aktiengesellschaft zu entschädigen. Der schöne Schein soll also für beide Seiten einträglich sein, was eigentlich nicht der Norm der Hochstapelei entspricht.
Vielmehr wird unser Held Emil in der Folge erst von seiner Umgebung zu weiteren Hochstapeleien gedrängt. Elizabeth Frenzel definiert diese Figur als …
… jene Gestalten , die nicht durch eingeborene Neigung zur Maske und zielbewusstem Willen zum Aufstieg in ihre Rolle kommen, sondern unfreiwillig durch eine Verwechslung oder Notlage in sie hineingedrängt werden, den mit ihr verbundenen Vorteilen nicht widerstehen können und sich dann auch in ihr wohlfühlen.
Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur, Stichwort Hochstapelei
Aufgrund des geschäftlichen Erfolges und der damit verbundenen Verbindungen zu höheren gesellschaftlichen Kreisen wird Emil immer weiter nach oben gereicht. Beispielsweise soll er mit seinen neuartigen Methoden der Polizei helfen, Verbrechen aufzuklären. Unter anderem soll er dabei sein alter ego Coeur-As fangen! Er landet zwischen Diplomaten und soll gar ins Innenministerium berufen werden.
Emil möchte seinen rasanten Aufstieg durchaus nutzen, zum Beispiel propagiert er eine Strafrechtsreform. Aber anders als in Definition fühlt er sich in seiner neuen Rolle bald nicht mehr so richtig wohl. Er erkennt, dass die Kreise, in die er geraten ist, auch ihre Schattenseiten haben. Aber wie soll er aus dieser Lage wieder herauskommen?