Ein wenig Technikgeschichte … Luftschiffe und Wasserstoff

Heute vor etlichen Jahren, genauer gesagt am 1.12.1909, absolvierte das Luftschiff Erbslöh seine offizielle Jungfernfahrt. Das 53 Meter lange und motorisierte Luftschiff hatte kurz vorher schon einen kleinen Probeflug erfolgreich absolviert, und auch die zweistündige offizielle Einweihungsfahrt in der Nähe von Wuppertal verlief ohne Probleme.

Leider nahmen die Fahrten dieses Luftschiffes nur wenig später ein jähes Ende. Schon im Sommer 1910 verunglückte die Erbslöh, und mit ihr ihr Namensgeber, der Luftfahrtpionier Oskar Erbslöh, mitsamt vier Begleitern. Eine folgende Untersuchung stellte fest, dass eine Verkettung von Umständen dazu führte, dass der für die Füllung des Luftschiffs verwendete Wasserstoff von Motorfunken entzündet wurde und daraufhin explodierte.

In der Frühzeit der Luftfahrt wurde die Endzündlichkeit des Wasserstoffes von vielen noch nicht als so großes Risiko gesehen. Aus heutiger Sicht mag das befremdlich wirken, aber am Beginn des 20. Jahrhunderts war man noch von anderen Erfahrungen geprägt, dachte in anderen Kategorien. Beispiele dafür lassen sich im populären,  1907 erschienen  Zeitalter der Motorluftschiffahrt von Rudolf Martin finden:

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Luftschiffe danach streben, gegenseitig den Ballonkörper aufzuschneiden. Die Gasblase der “Patrie” oder eines anderen Lebaudy-Luftschiffes ist um vieles leichter durch einen scharfen Gegenstand aufzuschlitzen, als die Aluminiumhülle des Zeppelinschen Luftschiffes. Wenn ein starres Luftschiff ein halbstarres oder unstarres anrennt, wird das halbstarre oder unstarre infolge der Verletzung der einzigen Gasblase zugrunde gehen.

Ja, es geht um Gasverlust, aber um einen allmählichen, keinen plötzlichen, explosiven. Die Vorstellung mag eher an Taktiken von Seeschiffen orientiert sein, die sich gegenseitig rammen. Zeitlich befinden wir uns hier noch vor dem Untergang der Titanic (1912), der dem ungehemmten Fortschrittsglauben einen ersten Schock versetzte. Dementsprechend finden sich  Formulierungen, die man so ähnlich schon einmal gehört haben mag:

Die Gefahr einer Explosion und Feuersbrunst auf dem Motorluftschiff ist außerordentlich gering. Sie ist auf dem Ozeandampfer ohne Zweifel viel größer. Ein Platzen der Gashülle ereignet sich bekanntlich fast nie. Bei dem Aluminiumluftschiff des Grafen Zeppelin befinden sich übrigens in der Aluminiumhülle nicht weniger als 16 verschiedene Ballons in besonderen Schotten. Da außerdem zwei durch eine lange Laufbrücke verbundene Gondeln vorhanden sind, ist die Möglichkeit geboten, sich aus einer Gondel in die andere zu begeben. Weniger bei einem Zusammenstoß von Luftschiffen als bei einer Beschießung im Kriegsfall kann diese Möglichkeit von Wert sein.

Rudolf Martin hatte recht, nicht alle Luftschiffunglücke wurden durch die Entzündung des Wasserstoffs verursacht — siehe die Liste von Unglücken mit Luftschiffen, aber das leicht entzündliche Gas forderte trotzdem immer wieder seinen Tribut von den Luftschiffern … und ihren Passagieren. Das berühmteste Beispiel dafür ist natürlich der Untergang der LZ 129 Hindenburg, die 1937 bei der Landung in Lakehurst verbrannte. Auch hier entzündete sich wieder der Wasserstoff.

Wasserstoff und Luftschiffe, eine gefährliche Kombination © 2017 Rainer Volz, textmulch.de

Anders als bei der Erbslöh 1910 hätte diese letzte Katastrophe verhindert werden können. Denn in den USA gab es zu dieser Zeit  schon das nicht brennbare Helium als Alternative zum Wasserstoff. Die USA hatten schon 1925 die National Helium Reserve gegründet, die zivile und militärische Luftschiffe mit dem Edelgas versorgen sollte. Zu dem Umstand das Helium zu dieser Zeit rar war, also teuer, kam der Umstand, dass durch den 1927 erlassenen Helium Control Act der Export des kostbaren Gases untersagt wurde. Somit mussten alle nicht-amerikanischen Luftschiffe weiter mit dem gefährlicheren Wasserstoff vorlieb nehmen, mit den bekannten Folgen.

Der Untergang der Hindenburg war das weithin sichtbare Symbol für den Niedergang der Luftschifffahrts-Idee in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erst am Wendepunkt zum 21. Jahrhundert wird die Idee der Luftschiff-Fahrt wieder virulent. Allerdings nicht mehr zur Beförderung von Passagieren, sondern zur Beförderung Lasten in Gelände ohne befestigte Landeplätze oder für die dauerhafte Stationierung von Internet-Zugängen in luftigen Höhen. Wie der Zweck auch aussehen mag, es wird dabei garantiert kein Wasserstoff verwendet.