Aus Neugier habe ich mir am Wochenende mal die Präsentation zu Apples neuem digitalen Zeitungskiosk, Newsstand, angesehen. Das Video Building Newsstand Apps zeigt die wichtigsten Schritte, um Periodika über iTunes vertreiben zu können. Wohlgemerkt: es geht dabei um Distribution, nicht um das Produzieren von Inhalten.
Ich fand schon gleich am Anfang bemerkenswert, dass es sich bei Magazinen und Zeitungen in Newsstand um Anwendungen, Apps handelt. Das ist schon einmal ein Unterschied zur Behandlung von Büchern in iBooks. Dort handelt es sich ja um EPUB-Dokumente, die von einem Leseprogramm (iBooks) veranschaulicht werden. (Das EPUB3 da in eine Grauzone zwischen Anwendung und Dokument gerät ist ein anderes Thema.)
Aus einer normalen iOS-App kann man einfach durch Hinzufügen von IDs Newsstand-Apps machen, die dann innerhalb der Newsstand-Plattform angezeigt werden. Was stellt die App dar? Sie ist nicht die Repräsentation einer Zeitungsausgabe, sondern steht eher stellvertretend für das Abonnement, oder zeitgemäßer ausgedrückt für die quantitativ bzw. qualitativ begrenzte Leselizenz des Kunden. Die Zeitungsapp sorgt für das Herunterladen und Speichern der Ausgaben, sowie deren Anzeige. (Das ist ein anderes Vorgehen als zum Beispiel bei Amazons Kindle, wo Zeitungsausgaben als einzelne Dokumente heruntergeladen und behandelt werden, auch wenn man ein Abonnement besitzt.)
Ob die Inhalte dieser Periodika über längere Zeit verfügbar sind, oder ob sie spätestens beim Ableben des Verlags und seines DRM-Systems unlesbar werden, ist eine Frage der Lizenz, die man kauft. Diese Frage ist aber nicht Apples Problem, sondern das des jeweiligen Verlags. Apple verdient an der Kommission und möchte daher alles tun, um dem zukünftigen Leser das Kaufen/Abonnieren so leicht wie möglich zu machen.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist es sehr sinnvoll, wenn sich der Newsstand-Vortrag neben technischen Details zum Download des Abos vor allem mit Mechanismen beschäftigt, die dem Leser einen nahtlosen Übergang vom physischen zum digitalen Zeitungsabonnement suggerieren sollen. Für mich überraschend beschäftigte sich ein großer Teil des Videos daher mit — Icons.
Um die Kontinuität der bestehenden Marken, mit ihren verschiedenen Druckformaten, wahren zu können, wurde extra für Newsstand-Apps eine neue Icon-Klasse erfunden. Statt dem quadratischen Standardformat für iOS-Apps folgen zu müssen, können die nun die typische Gestalt der Druckausgabe von Zeitungen und Magazinen wiedergeben, querrechteckig, hochformatig, wie auch immer. Dazu kommen neue Mechanismen mit denen man jeweils das Cover der neuesten Ausgabe als Icon anzeigen kann, wie in der Auslage des angestammten Zeitungskiosks.
Was hier transportiert werden soll ist die vertraute Marke des Druckmediums und eine Erinnerung an den Umgang mit der physischen Ausgabe bzw. deren Wert. Es ist nur konsistent, dass Apple weiterhin auf solche Anachronismen für den Übergang setzt. Schließlich simuliert Newsstand, wie iBooks, ein Holzregal, in dem die so teuer erkauften Werke gut aufbewahrt werden.
Was ich mich noch frage ist, ob dieses Herüberretten der Druck-Vergangenheit primär an die Leser gerichtet ist, oder nicht mehr an die Verleger? Schließlich finden die einen Vertriebsweg vor, der wenigstens so aussieht wie früher.